Von Hans Ottomann
Momentan zieht sie von Erfolg zu Erfolg: Alle Welt – von Kleinstfirmen bis zu weltbewegenden Daxen – ist vom Büroeinrichtungsbazillus angesteckt. Wenn schon, dann wollen wir im Jahr nach Trump oder Clinton wenigstens schick zugrunde gehen. Nobel, wertig, nachhaltig, gut gestaltet. Selbst ein selbstlenkender Mercedes Benz fand weniger Beachtung als die Vorschläge zur allgemeinen Aufwertung der Büroräume. Das ist ein absolutes Novum.
Büromöbler im Boom
In dieser Woche sind die Helden und namhaften Größen der Büromöbelbranche etwas müde. Sie haben eine grandiose Orgatec hinter sich, bei der diesmal fast alles passte, hat sie sich doch – laut eigener Pressverlautbarung – „ zum Hotspot für moderne Arbeitswelten“ entwickelt. Die deutsche Wirtschaft boomt, die Büroeinrichtungsindustrie boomt mit. Das Jahr 2015 schloss sie mit einem Rekordumsatzplus von 12 Prozent ab, im ersten Halbjahr 2016 erzielte sie sogar einen um 15.5 Prozent gestiegenen Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Ergonomie, Design und neue Arbeitsformen
Auf einer Fläche von 130.000 Quadratmetern tummelten sich an fünf Tagen 55.000 neugierige Fachbesucher aus 118 Ländern: Architekten, Innenarchitekten und Designer, wie die Messe nicht müde wird zu betonen. Vor allem aber zog sie den gesamten Bürofachhandel nach Köln. Es sei nicht vergessen: Die Orgatec ist bei allem intellektuellem Anstrich, der ihr durchaus gut ansteht, eine Ordermesse. Nach wie vor ist der Handel die mit Abstand wichtigste Zielgruppe. „Hier werden“, formulierte gerade der Handelsverband Bürowirtschaft (HBS), „Kunden mit ihren Lieferanten zusammengebracht, hier informieren sich die Experten des Handels über neue Erkenntnisse und Entwicklungen in der Ergonomie, der Arbeitsformen, des Designs und finden Aspekte des technologischen, sozialen und kulturellen Wandels in der Büromöbelbranche“.
Das Wohlbefinden der Büroarbeiter im Fokus
Gerade Letzterer ist bedeutungsvoll, nicht zuletzt für das Wohlergehen der gesamten deutschen Volkswirtschaft und mithin für jeden einzelnen in dieser unserer Gesellschaft. Inzwischen nämlich arbeitet jeder zweite Beschäftigte im Büro oder in einem büro-nahen Umfeld.
Dieser Prozess wird sich fortsetzen, je mehr die arbeitende Bevölkerung zur Wissensgesellschaft transformiert. Fazit:
- … Im Büro ist eine Leistungssteigerung von bis zu 36 Prozent möglich, so das Ergebnis einer Langzeituntersuchung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO). Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Büroeinrichtung ergonomisch gestaltet ist.
- … Deshalb werden fast ausschließlich höhenverstellbare Tische gekauft, die an die Körpergröße des Nutzers angepasst werden können. Dabei nehmen aufgrund der wachsenden Bandbreite an Körpermaßen die Verstellbereiche und die Beinfreiheit unter den Tischen zu. Bei Drehstühlen werden insbesondere Rückenlehnen, aber auch Sitzflächen immer flexibler und bieten so mehr Bewegungsfreiheit. Zudem sorgen Gewichts- und Synchronautomatik häufig für „intuitives Sitzen“. Der Stuhl passt sich jeder Haltung des Sitzenden automatisch an. Das ist nicht nur bei Stühlen mit häufig wechselnden Nutzern – etwa beim Desk Sharing – von Vorteil.
- … Individuelle Regulierbarkeit ist aber auch bei der Beleuchtung unabdingbar – allein schon deshalb, weil ein 50jähriger Mitarbeiter etwa die doppelte Lichtmenge wie sein 25jähriger Kollege benötigt. Daher empfehlen sich Steh- und Arbeitsplatzleuchten für den individuellen Lichtkomfort. Denn richtiges Licht ist für die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter unerlässlich.
Der neue Anspruch: Effizienz, Gesundheit und Motivation
So der Auszug aus der Presseverlautbarung der Koelnmesse über die Orgatec, die sich seit jeher schon als internationale Leitmesse für moderne Arbeitswelten bezeichnet. Nein – nicht der Orgatec 2016, deren Helden sich gerade den Höhenflugrausch ausschlafen. Der Auszug stammt aus einer PR-Meldung der Koelnmesse über die Orgatec 2010, und obwohl die Welt inzwischen eine ganz andere ist als vor sechs Jahren, bilden die „alten“ Aussagen immer noch die inhaltliche Basis des Geschehens, wenn auch nicht mehr vordergründig, sondern eher als Background aller nun aktuellen Taten: Effizienz und Effektivität, Fläche, Gesundheit, Motivation und Ergonomie sind immer noch die gehegten und gepflegten Zauberworte , die sich mehr und mehr auch der sogenannte Mittelstand zu eigen macht – logischerweise, selbst der syrische Azubi hält es an abgegrabbelten Arbeitsgeräten nicht lange aus, von den Geschehnissen beim „war for talents“ ganz zu schweigen. Doch nicht nur das Anspruchsdenken mancher Talente, sondern aller Büronutzer hat sich in den sechs Jahren seit der Orgatec 2010 ebenso verändert, wie sich die Arbeitswelt fortwährend runderneuert.
Bürowelten für die digitalisierte Teamarbeit
Entsprechend ging es auf der aktuellen Orgatec um mehr, nämlich um ganzheitliche Lösungen für die Arbeitswelten von morgen. Der Angebotsbogen der 671 ausstellenden Unternehmen erstreckte sich von der Einrichtung über Licht, Boden, Akustik und Konferenztechnik bis hin zu Spezialgebieten der Informations- und Telekommunikationstechnologie. Besonders zeitgemäß mit einem Hinweis auf die schöne Welt von morgen sind jene Produkte, welche die neuen Formen – jeweils mit innovativen Materialien – für die digitalisierte Teamarbeit generieren, vor allem in den Bereichen der Besprechungsräume, Mittelzonen, Lounges und Seminar, CoWorking Spaces, kreativfördernden Bewegungsmöglichkeiten und des in der Praxis umstrittenen Home Office.
Innovationsgeber für den Geschäftserfolg von morgen
Der Vorsitzender des IBA, Industrieverband Büro und Arbeitswelt e.V., Hendrik Hund, sieht in den umfassenden Lösungen, die die Aussteller aus aller Welt in Köln gezeigt haben, auch eine Bestätigung für die Innovationskraft der Unternehmen: „Die Aussteller haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie kreative Lösungen für die aktuellen Herausforderungen anbieten können. Architekten, Designer und Top-Entscheider aus Industrie und Handel haben das honoriert. Damit ist und bleibt die ORGATEC als bedeutender Business-Termin unverzichtbar. Hier werden die Weichen gestellt für den Geschäftserfolg von morgen.“
Fazit von Koelnmesse-Geschäftsführerin Katharina C . Hamma: „Das Ergebnis hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Ganz besonders freuen wir uns aber, dass nicht nur viele Architekten und Designer die Messe besucht haben. Vor allem sind besonders viele Top-Entscheider unter anderem von börsennotierten Unternehmer als Nutzer von innovativen, ganzheitlichen Arbeitsplatzkonzepten in diesem Jahr zur Orgatec gekommen“.
Thomas Grothkopp, Sprecher vom Handelsverband Bürowirtschaft HBS, wagt einen skeptischen Weit- und Ausblick, den die fröhlichen Orgatec-Teilnehmer in ihrem Optimismus weitgehend ausblendeten:
„Der anhaltende Trend zu flexiblen Arbeitsformen auch außerhalb des eigentlichen Büroarbeitsplatzes – das Büro ist da, wo der Mitarbeiter sich gerade aufhält – führt zu einer Investitions-Verlagerung in andere Lebensbereiche, die ‚bürotauglich‘ gemacht werden müssen“.
Das WINI-Onlinemagazin "360° - Rund ums Büro" wird sich dieses Themas künftig intensiv annehmen. Und wer weiß, wie sich die Orgatec 2028 diesbezüglich präsentieren wird… Die nächste Orgatec findet übrigens statt vom 23. bis 27. Oktober 2018.